"Der Lösungsansatz - Durchbruchstrategie"



Die eingezwängte Ökonomie muß von den Fesseln befreit werden, damit die Chancen der Zukunft genutzt werden können. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben: Wir müssen das Übel an der Wurzel packen und den Staat drastisch zurückfahren! Damit ist auch der richtungsweisende Lösungsansatz für die Entwicklung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft vorgegeben: die drastische Senkung der Staatsquote.

 

Abbildung 25

Auf der Einnahmenseite des Staates führt diese "Durchbruchstrategie" zu einer Rückgabe von heute staatlich gebundenen Mitteln in gewaltigem Ausmaß. Ca. 800-900 Mrd. DM (¼ des Bruttosozialproduktes) pro Jahr sorgen dann für den nötigen konjunkturellen Schub. Dies führt zu spürbar mehr persönlichem Einkommen und löst eine deutliche Zunahme der ökonomischen Aktivität aus. Neue Arbeitsplätze entstehen. Auf der Ausgabenseite werden dafür schmerzliche Anpassungsprozesse erforderlich. Dies erfordert mehr Eigenverantwortung von den Bürgern. Der Staat muß sich auf seine Kernkompetenzen besinnen und für eine soziale Grundversorgung sorgen.

Man darf sich nicht beirren lassen. Die Senkung der Staatsquote kann nur mit einer Senkung von Steuern und Abgaben bewirkt werden. Dies heißt im Klartext: Beitragssatzsenkung in den Sozialsystemen und aufkommenssenkende Steuerreformen. Und es heißt Kürzungen bei den solidarisch erbrachten Leistungen!

Der durch die steigende Arbeitslosigkeit vorhandene Handlungszwang muß politisch in operationale, meßbare und steuerbare Vorgaben für die Sanierung von Sozialsystemen und Staatsapparat umgesetzt werden. Damit tatsächlich tiefgreifende Reformen bewirkt werden, sind drastische Vorgaben erforderlich, nur so wird die Dimension und Reichweite des politischen Auftrages in der Praxis erkennbar. Die Staatsquote hat 1996 einen neuen Höchststand von 51% erreicht. Sie dürfte aufgrund der sich abzeichnenden steigenden Arbeitslosigkeit und den sich daraus ergebenden zusätzlichen Verpflichtungen des Staates im Wahljahr 1998 auf 52% steigen. Ausgehend von ihrem erwarteten Höchststand wird daher eine Halbierung der Staatsquote von 52% auf 26% gefordert.

Nun wird man fragen, warum ausgerechnet eine Halbierung der Staatsquote. Warum nicht ein Drittel, also von 52% auf ca. 35% oder, wie der Bundeskanzler es fordert, von 52% auf 40%. Warum den Bürger gleich mit solch einer aggressiven Forderung verschrecken?

Der Nobelpreisträger für Ökonomie des Jahres 1986 James Buchanan schätzt den Anteil sogenannter "öffentlicher Güter" am Bruttosozialprodukt auf lediglich 10%. Öffentliche Güter sind solche, von deren Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann oder soll. Diese öffentlichen Güter sind nach der klassischen Theorie der Finanzwissenschaft von Staat bereitzustellen und begründen letztlich das Maß der Staatsquote. Eine Staatsquote von über 50% steht dazu im krassen Widerspruch.

Wenn wir erreichen wollen, daß dienende Dienstleistungen wieder arbeitsteilig am offiziellen Markt in der Breite angeboten und nachgefragt werden, dann muß die Belastung mit Steuern und Abgaben aber auch die Vielzahl der ordnungspolitischen Auflagen drastisch sinken. Die intensive Bewerbung der "gelben Seiten" ist zwar förderlich; wir alle scheuen jedoch die hohen Handwerker- bzw. Dienstleistungsstundensätze und nehmen sie in der Regel nur dann in Anspruch, wenn es denn gar nicht anders geht und kein Nachbar oder handwerklich versierter Bekannter zur Hilfe ist. Es ist schwer vorhersehbar, wo denn der Preis liegen müßte, der zu diesem Angebot bzw. dieser Nachfrage führt. Eine kleine Umfrage führte zu einem Preis, der zwischen 30,- bis 50,- DM liegt und in etwa dem heutigen Schwarzmarktpreis entspricht. 75,- DM, also das Doppelte, sind jedenfalls noch zu viel. Die meisten von uns sind also durchaus bereit, für gewerbliche Arbeit, die darüber hinaus auch noch professionell erledigt wird, einen Mehrpreis zu zahlen; der Mehrpreis darf aber nicht zu hoch sein (siehe dazu auch den Focus-Report: Schwarz & billig, April 1998).

 Mittlerweile beträgt die Schwarzarbeit in Deutschland ca. 15% des Bruttosozialprodukts. Sie hat sich seit Anfang der 70er Jahre verdreifacht. Das Volumen der Schwarzarbeit entspricht ca. 560 Mrd. DM oder 5 Mio. Vollzeitjobs, also dem Stand der Arbeitslosigkeit Anfang 1998. Wer glaubt, die Arbeitslosigkeit durch die Bekämpfung der Schwarzarbeit beseitigen zu können, irrt. Die Kriminalisierung der Schwarzarbeit hat noch keinen Privaten dazu gebracht, Leistungen marktlich nachzufragen, die er notgedrungen selbst machen könnte oder die er sich marktlich zu Sozialstaatspreisen beim besten Willen nicht leisten kann. Die Kriminalisierung würde zu noch höherer Arbeitslosigkeit führen, weil die dann wegfallenden Einkommen aus Schwarzarbeit, so manches Unternehmen und so manche Familie in den Ruin treiben würden. In sofern ist es verwunderlich, daß gerade Sozialpolitiker die Schwarzarbeit immer wieder anprangern.

Man muß sich fragen, ob eine Senkung der Staatsquote auf 40% eine Senkung von Steuern und Abgaben in der gewünschten bzw. erforderlichen Dimension bewirkt: sicherlich nicht. Die Richtung stimmt zwar, es wird jedoch nicht das erforderliche Maß erreicht, um Massen im kommenden Jahrhundert zu beschäftigen. Bei einer Staatsquote von 35% dürfte man zu einer spürbaren Entlastung des Faktors Arbeit gelangen, die sich deutlich positiv am Arbeitsmarkt auswirken wird. 35% sind immer noch mehr als zu Anfang der industriellen Hochphase (Anfang 60er Jahre).

Abbildung 26

Weder die Informations- und Dienstleistungsgesellschaft noch eine drastisch gesenkte Staatsquote wird sich in Gänze über Nacht einstellen. Obiges Auseinanderklaffen zwischen Preisvorstellungen und tatsächlicher Belastung des Faktors Arbeit läßt bereits heute die Vermutung zu, daß sogar eine Staatsquote 26 noch zu hoch sein könnte. Insofern ist die Zielvorgabe 26% eine Orientierungsmarke, die es möglichst rasch anzusteuern gilt. Damit kommt das Kriterium Machbarkeit ins Spiel. Man kann eine Volkswirtschaft, eine Gesellschaft nicht über Nacht umkrempeln. Hier werden 2%-Punkte pro Jahr vorgeschlagen. 2%-Punkte pro Jahr sind nach der hier vertretenen Meinung einerseits aggressiv, erscheinen andererseits aber auch machbar. Sie entsprechen rechnerisch 13 Jahren, also politisch betrachtet ca. 3 Legislaturperioden.

In 13 Jahren sind wir der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft mit Sicherheit schon ein gutes Stück näher. Im Jahr 2011 wird die Industrie dann bestenfalls (!) noch ca. 20 % der Erwerbspersonen beschäftigen können. Der Rest der Erwerbsbevölkerung muß bis dahin eine Beschäftigung in Dienstleistungsberufen gesucht und gefunden haben. Man muß nicht Hellseher sein, um vorherzusagen, daß diese Dienstleistungen nicht alle High-tech-Dienstleistungen sein können. Der Skeptiker möge sich die Entwicklung der letzten hundert Jahre Revue passieren lassen und vergegenwärtige sich die dramatischen Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Technik. Ganz profan: Wie waren die sanitären Anlagen vor 20, 40, 80, 160 Jahren? Wie wurde Brot hergestellt? Wie lebten die Menschen zusammen?

Wir erlebten in dem zurückliegenden Jahrhundert die Industrialisierung nahezu aller Lebensbereiche. Nun erleben wir die Entindustrialisierung vieler Lebensbereiche, so wie wir einst den Rückgang der Beschäftigung in der Agrar- und Forstwirtschaft erlebten.

Die Entwicklung hat sich in den letzten Jahren dramatisch beschleunigt. Sie wird sich auch weiterhin beschleunigen. Auch wenn dies die meisten Politiker und große Teile der Gesellschaft noch nicht wahr haben wollen. Man schaue sich im Lande genau um. Die Fabrikhallen stehen zunehmend leer und verschwinden. Wer es nicht glaubt, spreche mit Bürgermeistern, Geschäftsführern der Gesetzlichen Krankenkassen und Landräten. Die Zahlen sprechen eine knallharte Sprache. Um die verbleibenden Produktionsstätten wird ein immer härterer Standortwettbewerb ausgetragen.

Die Zielvorgabe Staatsquote 26 erscheint auf den ersten Blick als sehr aggressiv - sie ist es gemessen an der Problemstellung jedoch nicht. Auf dem Weg dahin wird man von Legislaturperiode zu Legislaturperiode eine Neubestimmung vornehmen müssen. Wer weiß, vielleicht müssen wir in 10 Jahren die Zieldefinition sogar noch einmal verschärfen.